Auf der Wechselwirkung von Form und Malerei basiert das Schaffen der in Höhr-Grenzhausen lebenden Keramikerin Monika Debus. Organisch wirkende Formen von dezidiert eigener Prägung bilden das Substrat einer aus Farbe und Strukturen sich konstituierenden Oberflächengestaltung. Ovoide Gefäßplastiken mit zum Teil beträchtlichen Ausmaßen zählen zu den jüngsten Schöpfungen eines Repertoires, das sich auf die Polarität von Körperlichkeit und bildnerischer Ausdrucksweise konzentriert.
1961 in Siegen geboren, findet Monika Debus erst über den Umweg eines Geographiestudiums in Bonn zur Keramik, als sie es wagt, sich auf ihre kreativen Fähigkeiten einzulassen. Von 1987 bis 1989 erlernt sie in der Oldenburger Töpferei S. Hagemann das Elementare des Handwerks. Um Ausweitung und Intensivierung ihrer Ausbildung bemüht, studiert sie anschließend an der Staatlichen Fachschule für Keramikgestaltung in Höhr-Grenzhausen.
Mit der 1993 erfolgten Werkstattgründung sowie der Mitgliedschaft in der „Keramikgruppe Grenzhausen“, beheimatet in den Räumen der ehemaligen Manufaktur Merkelbach, ist die Keramikerin auf den historischen Töpferort fixiert und hier längst etabliert. Die Auseinandersetzung mit lokalen Traditionen, dem selbstverständlichen Arbeiten mit dem heimischen Steinzeugton, vor allem aber das Erproben der Salzbrandtechnik, eröffnen Monika Debus gestalterische Möglichkeiten, die sie seit mehr als zehn Jahren konsequent weiter verfolgt.
Zahlreiche Auszeichnungen, der Sonderpreis des Wettbewerbs „Salzbrandkeramik“ der Handwerkskammer Koblenz (2002), der Westerwaldpreis für salzglasiertes Steinzeug und Porzellan (2004), zeitgleich der Judge’s Prize der Taiwan Ceramic Biennale in Taipei sowie die im Jahre 2005 erfolgte Einladung als dortiger „Artist in Residence“ zu arbeiten wie ebenso die Ernennung zum Mitglied der AIC – Académie Internationale de la Céramique – sind dafür Beleg. Seit 1999 ist sie kontinuierlich an Ausstellungen und Wettbewerben im In- und Ausland beteiligt, die Präsenz ihrer Arbeiten in internationalen Sammlungen und Museen dokumentiert ihre autonome Position in der Keramik der Gegenwart. Ein Blick auf die Ausstellungsdichte von Juni bis Dezember 2013 verdeutlicht Umfang und Resonanz ihrer schöpferischen Tätigkeit.
Den Gefäßplastiken, die gegenwärtig den Schwerpunkt ihres Oeuvres bilden, liegen eingehende Beschäftigungen mit der Gefäßform an sich zugrunde. Trotz klassischer Ausbildung distanziert sich Monika Debus bewusst vom kanonisierten Typus, denn sie sucht nach einer zeitgemäßen Formensprache und ist dennoch bestrebt, die Standardelemente – Fuß, Körper, Mündung – wenn auch bisweilen nahezu nivelliert, mit in die Gestaltung zu integrieren. So weist die Mehrzahl ihrer Neuschöpfungen beispielsweise eine ovale Standfläche auf, von der aus sich die Form emporhebt und ausdehnt. Den zu Platten ausgerollten Ton baut sie in Montagetechnik zu voluminösen Formgebilden auf, die meist über zwei Schauseiten verfügen. Jedes einzelne ihrer Werke aber weist eine individuelle Tektonik von Flächen und Wölbungen auf, die überaus verschiedenartig in Dimension und Durchformung den Gesamteindruck prägen. Spielerisch variiert sie das Verhältnis von Ausdehnung und Einziehung, formt Körper, versetzt Flächen in Schwingung, bewusst Anklänge an vertraute Gefäßformen vermeidend. Eher sind es Natur- und organische Formen, die zu Analogien verleiten. Ovoide Gestaltungen mit runden Konturverläufen und schaukelnden Silhouetten zählen derzeit zu den von ihr präferierten Formen. Der kategorialen Zuordnung getreu, verfügt jedes „Gefäß“ über eine Mündung, oftmals jedoch hat Monika Debus dieses obligatorische Element auf einen kaum wahrnehmbaren Spalt reduziert und mal seitlich, mal im oberen Gefäßsaum eingearbeitet. Gegenüber dem jahrtausendealten konventionalisierten Formenkanon lotet sie neue Möglichkeiten der Gestaltung aus, spannungsvoll die Grenzen zwischen Gefäß und Plastik auflösend. Als dreidimensionale, im Raum sich ausdehnende und behauptende Arbeiten sind sie der Gattung Plastik zuzuordnen, leitet sich doch der Begriff selbst vom griechischen Wort plassein=“aus weicher Masse formen“ ab. Der freie Umgang mit Formen und Traditionen, das souveräne Balancieren zwischen Genres kennzeichnen Monika Debus‘ plastisches Gestalten.
Alle Gefäßplastik jedoch ist nur Trägermaterie einer differenzierten Farbmalerei, der eigentlichen Passion der Künstlerin. Pastose Porzellanengoben umhüllen die geformten Körper, zugleich fungieren sie als Fondfarbe einer freien Malerei, die sich in unterschiedlichen Erscheinungen realisiert. Koloristisch handelt es sich um ein eher verhaltenes Spektrum, mal ist es ein gedämpftes Bleu, mal ein helles Grau, dann ein abgetöntes Weiß, Farbgründe, die sowohl den Scherben verbergen als ihn auch bewusst in die Gestaltung mit einbeziehen. Der helle Fond wird der Künstlerin zur Aktionsfläche einer gestischen, überwiegend schwarz getönten Engobenmalerei. In reicher Nuancierung erzeugt sie, frei ihrem schöpferischen Impuls folgend, mit dem Pinsel ein facettenreiches Spektrum von dynamischer Linienführung über körnige Punktierung bis hin zu flächiger, deckender Anwendung. Kraftvolle Lineaturen, chiffreartige Formen, fließende Strukturen erzeugen abstrakte Gestaltungen, die dennoch einen eigenen Bilderkosmos generieren. Im Dialog mit den keramischen Materialien erkundet sie neue künstlerische Verfahren und Ausdrucksweisen, deren zentrales Thema der Schaffensprozess selbst ist. Sie bricht – analog zum Tachismus bzw. Informel – die hierarchische Komposition aus Form und Farbe auf unter weitgehender Ablehnung konkreter Motive. Gegenüber klar definierten bevorzugt sie offene Strukturen, die dem spontanen, experimentellen Malakt entspringen und sowohl expressive Ausdruckswerte erreichen als auch zu kontemplativen Tonlagen tendieren. Die Dominanz schwarzer Lineaturen weckt unversehens Assoziationen an grafische Gestaltungen, von deren vertrautem Flächenbezug sie sich jedoch löst, schafft sie doch im Einklang mit den Gefäßplastiken „dreidimensionale Bildwelten“! Homogen umspielen die malerischen Pinselzeichnungen den Gefäßkörper, affirmieren den organischen Charakter der Form, bisweilen entwickeln sie aber auch markante eigene Akzentuierungen. In einem Niedrigbrand bei 1140° C „erhält die matte Oberfläche leichte Spuren von Salzanflug. Das Salz verändert die Farben und moduliert sie von Hell nach Dunkel, Pinselstriche werden sichtbar. Der Einfluss des Salzes ist nur zu einem gewissen Grad vorausbestimmbar, es kann eine Arbeit verbessern, sie aber auch zerstören“, beschreibt die Künstlerin ihre Vorgehensweise. Neben dem kalkulierten Einfluss auf die Farbkraft intensiviert sich vor allem auch die haptische Wirkung und steigert auf diese Weise das sinnliche Erleben.
Zeigte schon die Betrachtung der Gefäßplastiken einen experimentierfreudigen Umgang mit Traditionen und Gattungen, so bündeln sich in der Werkgruppe „Wandobjekt“, gefertigt im Jahre 2012, freies Gestalten und spielerische Fabulierlust auf signifikante Weise. Als wandfüllende Gestaltung aus sechsundvierzig Einzelstücken bestehend, in vier Reihen übereinander und in Längsausrichtung nebeneinander angeordnet, entziehen sich die Formen einer eindeutigen Klassifizierung. Zur Plastik wie auch zum Relief tendierend, handelt es sich um eine Formation individuell gebauter Einzelobjekte, die, determiniert von Torsion und Rundungen, sowohl Wachstumsprozesse veranschaulichen als auch Kunstform sind. Halb Schwellkörper, halb Röhrenplastik, Organischem wie auch Technoidem verwandt, dehnen sich die Gebilde mit wulstigen Partien, mit Einziehungen und Wölbungen in den Raum aus, wuchern in ihn hinein und weisen in der Mehrzahl kugelige Endungen, versehen mit unterschiedlichen Mündungsarten, auf. Verschiedenartige Analogien und Projektionen überlagern sich, einige Formen wecken Reminiszenzen an Biomorphes, andere an Phalli. Eine Palette farbiger Engoben vermittelt ein koloristisches Spektrum, das von dunklen bis hellen, von warmen bis kühlen Tönungen reicht und mit seinen matten Oberflächenreizen die bekannte Salzbrandtechnik der Künstlerin dokumentiert. Das „Wandobjekt“ lebt von der spannungsvollen Assoziationsfülle ambivalenter Wirkungen, von organischen Affinitäten und geformter Materie, vom aktiven Bewegungsdrang und dynamischen Raumbezug, von differenzierter Körperlichkeit und biomorpher Gegenständlichkeit. Mit seiner spezifischen Formung und der Simultaneität von Eindrücken erreicht es eine eigene Ausdrucksqualität im Schaffen der Künstlerin.
Das Zusammenspiel organisch wirkender Formen und von Farbmalerei prägt die Arbeiten von Monika Debus. Versiert im Umgang mit Werkstoffen und Technik, schafft sie mit innovativer Gestaltungskraft aus Gefäß, Plastik und freier Malerei homogene Werke von künstlerischer Eigenwertigkeit.
Dr. Elisabeth Kessler-Slotta, Bochum, am 03.10.2013